Der Tod als Beginn von etwas Neuem.

„Im Anfang war das Wort.“ Mit diesem Satz aus dem Johannesevangelium wird deutlich, dass jeder Anfang mit Worten verbunden ist. Nimmt man den Tod als den Beginn eines neuen, transzendenten Lebens, so muss man auch Worte für den Tod finden. Unsere Welt hat verlernt, über den Tod zu reden. Wir verschweigen ihn, suchen ihn zu verdrängen. So fehlen uns oft die richtigen, eigenen Worte, um persönlichen Schmerz auszudrücken. Wir schaffen es nicht, unsere eigenen Gefühle und Ängste am Ende unserer materiellen Existenz zu reflektieren und zu formulieren.

Der Tod ist auch ein Anfang – und für diese Erkenntnis ist kein institutioneller Glauben nötig. Der Glaube an Gott, oder auch der Nicht-Glaube, ist eine zutiefst persönliche Erfahrung und eine Entscheidung, die es zu respektieren gilt. Denn jedes Leben ist eine spirituelle Reise mit vielen aufgeworfenen Zweifeln, gewonnenen Erkenntnissen und manchmal hoffnungsvollen Wünschen nach dem einen ganz persönlichen Gott, der einen in Frieden und auch Freude empfangen möge. Diesen individuellen Glauben versuche ich als Trauerredner zu erfassen. Deshalb muss mit den betroffenen Angehörigen auch darüber sprechen. Nur so kann ich die Zeremonie würdig und den Wünschen des Verstorbenen gemäß gestalten.

Ein Trauerredner kann meines Erachtens im Gegensatz zu manchem Geistlichen freier sein, wenn es darum geht, jemandem den Gang in eine neue Welt zu bereiten. Der angemessene Raum, in dem diese Tür geöffnet wird, kann überall sein: an einem geliebten Ort unter freiem Himmel, in einer feierlichen Aussegnungshalle, einer Kirche – oder auch in einem Kino. Wie im Fall der lebensfrohen Besitzerin von Lichtspielen, für die kein anderer Ort für die Gedenkfeier in Frage kommen konnte. 

Einen persönlichen Abschied gestalten

Der Trauerredner fühlt mit den Hinterbliebenen, begleitet sie in schweren Zeiten und sucht die richtigen und angemessenen Worte bei der Trauerfeier. Er übernimmt die weltlichen Dinge, damit sich die Trauernden keine Gedanken darüber machen müssen und sich ganz mit ihrem Gedenken befassen können. Wenn es ihnen hilft, empfängt er auch Gäste, geleitet sie an ihre Plätze und lenkt die Trauerfeier wie ein stiller Zeremonienmeister. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die so vielfältig ist wie die Menschen, denen er das letzte Geleit gibt.

Der eine bittet um andächtige Stille, der andere um seine Lieblingsmusik, die man zu so einem Anlass nicht erwarten würde, und der Nächste hat gar nichts bestimmt, da er nie an den eigenen Tod gedacht hatte. Gerade hier beginnt die herausfordernde Aufgabe. Wer war der Verstorbene? Wie sahen ihn seine Familie und seine Freunde? Die Beschäftigung mit einem Leben, voll von Lachen und Schmerz, voller Erwartungen und Enttäuschungen – das alles will erfasst und angemessen gewürdigt werden.

Als wäre er ein Freund, der hier spricht und dem man vertrauensvoll die Zeremonie überlässt. Wenn bei den Hinterbliebenen dieses Gefühl aufkommt, hat der Trauerredner seine Aufgabe erfüllt. Dann könnte es geschehen, dass die Anwesenden erkennen, wie lebendig der Verstorbene in ihren Herzen ist und für immer sein wird. Wie sehr ihre Trauer von der eigenen Angst vor dem Tod geprägt ist. Die richtigen Worte können die Zuhörer dazu bringen, über sich selbst nachzudenken und echten Trost in diesen Fragen zu finden.

– Gerd W. Stolp –